Patrik Jud empfängt uns auf dem grünen Sofa. Fürs Gespräch hat er ins «Joint Innovation Center» am Sunrise Hauptsitz geladen. Topfpflanzen, bequeme Sofas und Teppiche sorgen für Wohnzimmeratmosphäre. An den Wänden hängen grosse Bildschirme, auf denen anschaulich aufgezeigt wird, wie Prozesse digitalisiert werden und welche Vorteile daraus entstehen. Häufig trifft sich Patrik hier mit Kunden und Partnern, die seine Expertise benötigen. «Diese inspirierende Umgebung ist der perfekte Ort, um über IoT zu sprechen», findet er. Seine blauen Augen strahlen, als er sich an seine erste grosse IoT-Geschichte zurückerinnert. Das war 2001. Zu jener Zeit war der gelernte Elektriker als Business Developer bei IBM angestellt. Für die Computermesse Orbit sollte er ein aufsehenerregendes Ausstellungsstück entwickeln. Das Resultat: ein Porsche, der technisch so aufgerüstet wurde, dass beim Fahren jederzeit Informationen zur nächsten Tankstelle und den dortigen Benzinpreisen verfügbar waren.
Das «Internet of Things» bei Sunrise
Der Begriff Internet of Things, zu Deutsch Internet der Dinge oder kurz IoT, steht für die Vernetzung von Geräten, Tieren und Menschen mit dem Internet. Der Datenaustausch erfolgt überwiegend über Funktechniken wie Bluetooth, NFC, Narrowband-IoT oder 5G.
Sunrise bietet IoT-Lösungen mittels Daten-SIM-Karten an, die über das mobile Funknetz miteinander kommunizieren. Durch diese Verbindungen lassen sich Zustände überwachen und Abläufe digitalisieren, automatisieren und optimieren. Für ein Taxi-Unternehmen mit 50 Taxis genügen beispielsweise 50 Daten-SIM-Karten; ein Energieversorger hingegen benötigt bis zu mehreren 100'000. Die SIM-Karten werden über die einfach bedienbaren IoT-Connectivity-Management-Plattformen von Sunrise verwaltet. IoT kommt sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld zum Einsatz. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G können bis zu einer Million Geräte im Umkreis von einem Quadratkilometer vernetzt werden. Ab Juli 2022 können Geschäftskunden standardisierte IoT Starter Services direkt über den Webshop bestellen. Damit lassen sich kleinere IoT-Projekte schnell starten oder erste Prototypen unkompliziert testen.
Tüfteln liebte Patrik schon als kleiner Junge; Netzwerke zu erstellen faszinierte ihn besonders. Mit den alten Telefonen und Kabeln seines Vaters – einem Post-Angestellten – baute er eine Telefonverbindung von seinem Kinderzimmer in dasjenige seines Bruders. Und als Patrik dann ein ferngesteuertes Auto geschenkt bekam und entdeckte, dass kabellose Verbindungen noch viel spannender sind, war sein weiterer Weg vorgezeichnet.
Mit IoT Geld oder Zeit sparen
2002 wechselte Patrik in die Telekom-Branche. Beim damaligen Branchenführer für IoT verkaufte er erstmals Daten-SIM-Karten für geschäftliche IoT-Anwendungen. Er erinnert sich gut daran, wie er für einen Immobiliendienstleister eine Lösung erarbeitete, um beim Kauf von Heizöl Kosten zu sparen. Die Anwendung mass den Füllstand der Öltanks und überprüfte den Ölpreis, sodass das Öl nur gekauft wurde, wenn der Preis tief war. Bei hohem Ölpreis kamen die eigenen Reserven zum Zug. «Zu jener Zeit erfolgte die Daten-Übermittelung noch per SMS, da dies der zuverlässigste Weg war», erzählt der IoT-Experte. Seither hat sich viel verändert, doch eines blieb – IoT-Lösungen müssen gut durchdacht sein. Will heissen: Der Mehrwert muss klar ersichtlich sein. «Die grosse Kunst ist es zu erkennen, wie man mit IoT Geld oder Zeit sparen oder die Qualität erhöhen kann», weiss Patrik. Dafür tauscht er sich intensiv mit Branchenkennern und Partnern aus, wenn er neue Ideen entwickelt. Überhaupt sei ein funktionierendes Partnernetzwerk einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. In seinen 20 Jahren im Business konnte Patrik schon oft auf sein Netzwerk zählen – auch in kritischen Situationen. Während seiner Zeit bei Swisscom etwa erhielt er an einem Samstagabend einen verzweifelten Anruf aus einem grossen Skigebiet. Das System, das in dieser Nacht automatisch eine Lawine hätte auslösen sollen, habe einen technischen Defekt. Die Sicherheit des Gebiets war akut gefährdet. Dank seinen guten Kontakten konnte Patrik sofort einen Techniker beauftragen, der das Problem schnell beheben konnte.
Den Plan B bereithalten
Er habe auch schon von IoT-Lösungen abgeraten. «Wenn es um geschäftskritische Anwendungen oder um Leib und Leben geht, schaue ich sehr genau hin», betont Patrik Jud. Bei den mobilen Netzen könne es zu Unterbrüchen kommen. Er erinnert sich an den Fall eines Zürcher Taxiunternehmens, welches eines der ersten Dispositionssysteme nutzte. Es war in einer kalten Dezembernacht, samstags 2 Uhr, als der Netzausfall passierte. Alle 150 Taxis waren nicht mehr erreichbar; die Kundschaft wartete vergebens – und der finanzielle Schaden war enorm. Der Grund für den Ausfall: ein geplantes Software-Update auf dem Mobilfunknetz des Telekomanbieters. Nach diesem Vorfall führte das Taxiunternehmen einen Plan B ein und der Telekomanbieter stimmt sich seither vor Wartungsarbeiten am Netz mit der IoT-Abteilung ab.
Seit dem 1. Februar 2022 ist Patrik Jud nun das neue IoT-Aushängeschild bei Sunrise. Wie schätzt er das Angebot ein? «Mit der IoT-Connectivity-Management-Plattform ist Sunrise sehr gut aufgestellt», ist der Experte überzeugt. In Zusammenarbeit mit diversen Partnern könne das Unternehmen seine IoT-Kundinnen und Kunden mit Komplettlösungen bedienen und somit innovative Business-Modelle ermöglichen. Plus: «Die Netze von Sunrise sind mit den neusten IoT-Technologien und 5G flächendeckend ausgerüstet.»
Beim Verabschieden zeigt Patrik Jud auf die lebensgrosse Plastikkuh, die beim Eingang zum Joint Innovation Center steht. «Mit einem Professor führte ich mal ein Projekt durch mit dem Ziel, das perfekte Timing für die Besamung von Kühen zu ermitteln», sagt er und schmunzelt. In Zukunft werde auch die Landwirtschaft massiv von IoT-Lösungen profitieren – so wie fast alle Branchen.