Zurück zur Blog-Übersicht

Swiss Games Awards 2022: Okomotive sind Doppelsieger

In unserer Serie «Schweizer Spielestudios im Porträt» stellen wir die spannendsten Spielestudios der Schweiz vor. Im dritten Teil: Okomotive aus Zürich und ihr Spiel «FAR: Changing Tides».

Achim Fehrenbach

1. Dezember 2022 . Lesedauer: 4 Min.

Eine kleine Gestalt sinkt auf den Grund eines Gewässers. Dann bewegt sie die Arme, fängt an zu schwimmen und schafft es zurück an die Oberfläche. Rundherum blickt sie auf eine überflutete Welt: Hausruinen stehen bis zum Obergeschoss im Wasser, auf den Wellen treiben Holzplanken, in der Ferne erheben sich die Berge. Der Junge schwimmt unverdrossen weiter, taucht unter Ruinen durch und gelangt schliesslich an einen morschen Hangar, in dem sie riesiges Wasserfahrzeug findet, halb Segel- und halb U-Boot. Irgendwie gelingt es ihm, die Segel zu setzen und das Fahrzeug in Gang zu bringen. Dann segelt sie einfach los - vorbei an untergegangenen Häuserruinen und schroffen Felsküsten. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Alles, was man hört, sind Wellen, Wind und eine ätherische Musik, die den Jungen auf seiner langen Reise begleitet.

Keine Explosionen, keine Kämpfe

Wer «FAR: Changing Tides» spielt, merkt bald, dass es sich um ein ungewöhnliches Spiel handelt. Hier gibt es keine Explosionen, keine Kämpfe und keine Verfolgungsjagden. Stattdessen herrscht in dem Rätselabenteuer eine fast schon melancholische Ruhe, die Platz für Gedanken und Gefühle lässt. Mit «FAR: Changing Tides» hat das Zürcher Okomotive ein Rätselspiel geschaffen, das Momente der Einsamkeit mit der schlichten Neugier darauf verbindet, was am Ende dieser langen Segelreise stehen mag. Bei den SGDA Swiss Game Awards auf der Gamesweek Zurich gewann Okomotive für sein Spiel gleich zwei Preise: den "Best Entertainment Game Award" und den Publikumspreis.

Eingespieltes Team: Okomotive aus Zürich

Tauchgänge und mehrstufige Rätsel

«FAR: Changing Tides» ist bereits das zweite Spiel von Okomotive. Schon das erste, «FAR: Lone Sails», war ein grosser Erfolg: Seit dem Launch im Jahr 2018 hat das Studio davon rund 500.000 Exemplare verkauft. «FAR: Changing Tides», das im Januar 2022 erschien, ist kein direktes Sequel: Zwar herrscht im Spiel eine ähnliche Grundstimmung, doch es gibt eine neuen Protagonisten, ein neues Setting, neue Sounds und auch neue Spielmechaniken - zum Beispiel Unterwasser-Levels, die der kleine Held mutig erkundet. Auf seinen Tauchgängen sucht er Ressourcen, um das Schiff am Laufen zu halten, entfernt Barrieren, die es an der Weiterfahrt hindern - und löst dabei mehrstufige Rätsel, die Geduld und Grips erfordern. Das folgende Video gibt euch einen guten Eindruck vom Gameplay und von der Stimmung des Spiels.

Die Idee entstand im Studium

Die Grundidee zum «FAR»-Universum entstand bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Damals studierten die späteren Okomotive-Gründer Don Schmocker und Goran Saric noch Game-Design an der Zürcher Hochschule der Künste. «Die ursprüngliche Idee entstand während einer Vorlesung im Studium, wo es um ein Konzept einer laufenden Stadt ging», erzählt Don. «Die Idee eines laufenden Fahrzeugs, das der Spieler indirekt steuert, entwickelte sich dann natürlich immer weiter, mit verschiedenen Einflüssen aus Filmen und Games - bis zum ersten Prototyp 2015.» In seiner Bachelor-Arbeit entwickelte Don dieses Konzept weiter, im anschliessenden Master-Studiengang bekam das Projekt immer mehr Konturen. 2017 gründeten Goran und Don in Zürich das Studio, mit dem sie «FAR: Lone Sails» in die Tat umsetzen wollten. Mit an Bord waren die ZHdK-Studierenden Martina Hugentobler (Lead-Animator & Artist), Philipp Stern (Leveldesigner) und Fabio Baumgartner (Programmierer, Sound-Designer). Das Studio setzte die Segel ... und legte los!

Im Innern des Schiffes gibt es viel zu erledigen - eine Szene aus «FAR: Changing Tides».

Doch halt, Moment! Warum heisst «Okomotive» eigentlich «Okomotive»? «Wir hatten bei der Gründung nicht lange Zeit, uns einen Namen zu überlegen, und wollten einfach etwas, was wir langfristig nicht peinlich finden», erzählt Goran. «'Okomotive' heisst das Fahrzeug bei 'FAR: Lone Sails' - und entsprechend haben wir einfach das genommen.» Interessanter Fakt, der allerdings laut Goran nichts mit der Namensfindung zu tun hatte: «'Oko' heisst in vielen slawischen Sprachen 'Auge' - und entsprechend kann man es als 'Augen-Motive' übersetzen.» Passt eigentlich ganz gut, weil der Blick auf den langen Segelreisen immer wieder durch die einsame Landschaft schweift - und dabei immer neue Details in den Fokus geraten ...

Mit seinen Unterwasser-Leveln bietet «FAR: Changing Tides» viel neues Gameplay.

Okomotive erweitert sein Universum

Der Debüt-Titel «FAR: Lone Sails» erschien 2018 - zunächst als Download für Windows und macOS. Auf der Download-Plattform Steam erntete das Spiel erstklassige Kritiken - und wurde dann auch beim Deutschen Entwicklerpreis 2018 gleich doppelt ausgezeichnet. Der Erfolg von «FAR: Lone Sails» ermöglichte Okomotive, sein faszinierendes Universum zu erweitern - und für «FAR: Changing Tides» weitere Fachkräfte anzuheuern. Heute umfasst das Team um die Gründer Don (Creative Director) und Goran (Geschäftsführer) etwa zehn Personen, hinzu kommen externe Fachkräfte, zum Beispiel ein Tech-Artist. Sitz des Studios ist die Badenerstrasse im Zürcher Stadtteil Altstetten. An welchem neuen Projekt Okomotive dort gerade feilt, können die Macher noch nicht verraten - weil sie vertraglich an einen Publisher gebunden sind. «Wir versuchen, unserer DNA treu zu bleiben», sagt Goran.

Okomotive freuen sich mächtig über das Feedback zum neuen Spiel. Schliesslich war es ja keine Selbstverständlichkeit, dass «FAR: Changing Tides» ähnlich gut ankommen würde wie der Vorgänger. Doch nicht nur die gewonnenen Awards haben Okomotive in ihrer Entscheidung bestätigt, das «FAR»-Universum zu erweitern. «Die meisten Fans waren begeistert von der Tiefe der Story und dem Schlussteil und Ende des Spiels», erzählt Goran. Man darf gespannt sein, zu welchen Ufern Okomotive als nächstes aufbrechen.

Weitere Artikel