Wie lässt sich lückenlose Konnektivität in einer tief verzweigten Industrieanlage sicherstellen? Unser Besuch bei Limeco in Dietikon zeigt, wie ein privates 5G-Netzwerk (MPN) die Effizienz von Abwasserreinigungsanlagen steigert, gleich mehrere technologische Herausforderungen auf einmal zu lösen vermag und dabei sogar doppelt auf Nachhaltigkeitsziele einzahlt. Und das ist erst der Anfang einer vielversprechenden digitalen Innovationsreise.
Es ist kühl, es ist feucht, und etwas liegt in der Luft. Die unterirdischen Gänge, durch die uns Thomas Di Lorenzo führt, fühlen sich nicht eben danach an, was man sich unter einer modernen Arbeitsumgebung vorstellt. Doch dieser erste Eindruck täuscht.
Auf schmalen Gitterstegen passieren wir grosse Becken aus Beton. Abwasser fliesst von einer Klärkammer zur nächsten. Durch Abtrennen, Absetzen und Filtern werde es mit jedem Mal sauberer, erklärt uns der Leiter des Unternehmensbereiches Abwasserwirtschaft. Das Herzstück der Anlage ist die biologische Reinigung, wo Mikroorganismen das Abwasser reinigen, das Prinzip, nach dem sich auch Bäche, Flüsse und Seen natürlich regenerieren.
Offline war so gestern
Rund neunzig Mitarbeitende sorgen sich bei Limeco um Abwassermanagement, Abfallentsorgung und saubere Energie für das gesamte Limmattal. Die Reinigung des Abwassers zum Schutz von Gewässern gehört dabei zu den Kernaufgaben. Um einen sicheren Betrieb und eine effiziente Wartung der Anlagen zu gewährleisten, sind regelmässig Rundgänge durch die zahlreichen Räume erforderlich. Bis anhin mussten diese ohne Verbindung zum Firmennetzwerk durchgeführt werden. Wer etwas überprüfen oder nachschlagen wollte, musste dies an seinem regulären Arbeitsplatz oder in speziell eingerichteten Arbeitsräumen tun – ausserhalb der abgeschirmten Hallen. «Wir mussten viel mehr laufen», sagt Di Lorenzo.
Dies sei schon bald nicht mehr nötig. Die Mitarbeitenden hätten künftig ein Tablet dabei, auf dem sie die Anlage vor Ort inspizieren, dokumentieren und steuern könnten. «Es wird uns sehr viel einfacher fallen, Anlagenteile zu untersuchen. Wir werden die Arbeit effizienter, systematischer und mit weniger Aufwand durchführen können», sagt er.
Mobile Private Network mit Vorteilen gegenüber WLAN
Möglich macht diese weitreichende Connectivity ein Mobile Private Network , kurz MPN, das Sunrise im Bereich der Abwasserreinigungsanlage testweise implementiert hat. MPN ist ein eigenständiges, lokales 5G-Mobilfunknetz. Es bietet eine schnelle, stabile Verbindung, die sich ideal für Umgebungen wie Industrieanlagen, grosse Areale oder komplexe Gebäudestrukturen, wie sie Limeco aufweist, eignet.
Im Vergleich zu WLAN benötigt ein MPN eine deutlich schlankere Infrastruktur. Um WLAN bis in die hintersten Ecken der unter- und oberirdischen Werke von Limeco zu bringen, wären sehr viele Access Points erforderlich. Die Router, die Kabel, die Signalverstärker – Installations- und Betriebsaufwand wären immens. «Ein grosser Vorteil von MPN ist, dass man mit weniger Sendern die ganze Abdeckung erreicht», sagt Di Lorenzo.
Ausserdem kommt es mit WLAN häufig zu Signalunterbrechungen, wenn sich Nutzer zwischen verschiedenen Access Points bewegen. Oder die Übertragungsgeschwindigkeit lässt bei vielen Nutzern nach. Hier stösst die Technologie schlichtweg an ihre Grenzen. Mit einem privaten 5G-Netz indes bleibt die Datenübertragung gleichmässig hoch und die Verbindung selbst bei Bewegungen durch die komplexen Gänge von Limeco unterbrechungsfrei. Ein Vorteil, der in kritischen Arbeitsbereichen essenziell ist. Warum «essenziell» keineswegs übertrieben ist, erfahre ich später im Gespräch mit ICT-Leiter Michael Meyer und Geschäftsführer Patrik Feusi.
Offizielles Go-Live des privaten 5G-Netzwerks ist bei Limeco im April 2025, im Rahmen des Proof-of-Concept-Projekts konnten indes bereits letztes Jahr erste Testläufe erfolgreich durchgeführt werden.
Bye-bye DECT-Telefonie
«Wir wissen schon lange, dass wir eine gute Lösung brauchen, um vom herkömmlichen DECT-Signal wegzukommen und auf eine modernere, stabilere Technologie zu wechseln», sagt Meyer. Es sei immer klar gewesen, dass WLAN diesen Anforderungen nimmer genügen würde. «Jetzt sehen wir einen Weg, wie wir mit der MPN-Technologie nicht nur ein Problem lösen können, sondern gleich drei auf einmal.»
Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre veraltete DECT-Technologie ablösen zu müssen, da diese den heutigen Erfordernissen nicht mehr entspricht. DECT bietet ausschliesslich Sprachübertragung und keine Internet-Konnektivität, da es speziell für kabellose Telefonie entwickelt wurde und keine Datenübertragungsfunktionen unterstützt. Ein privates Netzwerk drängt sich hier als Lösung geradezu auf: Es kombiniert die Zuverlässigkeit von DECT mit der Flexibilität und Leistungsfähigkeit von 5G und schafft eine zukunftssichere Kommunikationsinfrastruktur.
Warum ein DECT-Replacement wohlüberlegt sein sollte, erklärt Patrik Feusi am Beispiel der Totmannschaltung. Das System gewährleistet, dass Personen im Notfall manuell Alarm auslösen können oder im Falle von Bewusstlosigkeit automatisch ein Signal ausgesendet wird. «Wenn ein Rundgänger einen Unfall hat und die Latenzzeit zu hoch ist oder das System nicht zeitgerecht reagiert, dann ist das für uns nicht zu verantworten». Die Totmannschaltung läuft bei Limeco über das DECT-Telefon. MPN wird es künftig erlauben, sich auf die lückenlose Verfügbarkeit eines Internetsignals verlassen zu können.
Die grosse Idee einer zukunftsfähigen Energieversorgung
Das Gelände von Limeco ist gross, es umfasst über 36'000 Quadratmeter. Dies wird spürbar, als wir uns von der Abwasserreinigungsanlage hinüber zur Kehrichtverwertungsanlage begeben. Der erdige Geruch ist einem trockeneren, rauchigeren gewichen.
2018 hat Limeco zusätzlich das benachbarte Coop-Areal erworben und plant die Anlagen zu erneuern und zu erweitern. Limeco will in Zukunft vermehrt relevante Umweltleistungen erbringen. Deshalb hat der Verwaltungsrat als Vision definiert, dass bis 2050 das ganze Limmattal mit CO2-neutraler Energie versorgt sein soll und Limeco dazu einen entscheidenden Beitrag leistet.
Ein «Multi-Energy-Hub» soll Dreh- und Angelpunkt des gesamten Gebiets werden. Er soll verschiedene Energiequellen wie Abfall, Abwasser und erneuerbare Energien verbinden, um daraus CO₂-neutrale Energie in Form von Strom, Wärme und grünem Gas zu erzeugen. Ziel ist es, Energie effizient zu speichern und flexibel bereitzustellen, um die Bedürfnisse der Region nachhaltig und zuverlässig zu decken. «Energien fliessen zu diesem Hub hin und Energien fliessen wieder von diesem Hub weg», erklärt Feusi. Die Herausforderung dabei sei, Energie in der richtigen Menge, Form und Qualität zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen.
Ein echter Game-Changer
Die Vision ist ehrgeizig. Es scheint, der richtige Zeitpunkt zu sein, um auch in Bezug auf die Konnektivität gross zu denken und einen nachhaltigen neuen Weg einzuschlagen. «Auch in den Erweiterungsbauten wird es wieder viel Stahl und Beton geben. Die Signalübertragung wird somit nicht einfacher», meint Feusi. Indem man heute bereits anfange, MPN einzusetzen und Erfahrungen zu sammeln, sei man offener für neue Lösungen. «Man beginnt weiter zu denken und merkt, welche anderen Probleme man sonst noch lösen könnte. Wer den Pioniergeist lebt und Dinge ausprobiert, entdeckt oft neue, überraschende Lösungswege.»
Wie ein solcher Ball ins Rollen kommen und die Innovation beflügeln kann, schildert ICT-Leiter Meyer anhand des Beispiels der Überwachungskameras: «Wenn wir im ersten Test sehen, dass MPN stabil ist und gut funktioniert, es sich operativ bewährt, gehen wir voran mit weiteren Ansätzen. So ist für mich denkbar, künftig auch unsere Videokameras drahtlos über MPN zu steuern. So müssen wir veraltete Leitungen nicht ersetzen und sparen enorm viel Geld.»
Ein entscheidender Vorteil ergibt sich auch in puncto Sicherheit, da das MPN vollständig vom öffentlichen Netz getrennt ist. «Cyber-Security ist ein grosses Thema bei uns», sagt Meyer. Ein MPN bietet eine geschützte Umgebung, die Angriffe von aussen deutlich erschwert und sensible Daten sicher hält. Für die Limeco sei dieser Aspekt des Inselbetriebs hoch relevant. «Wenn draussen die Welt zusammenbricht, dann muss unsere Operation Technology weiter funktionieren können.»
Meyers Fazit nach der ersten Testphase ist äusserst positiv: «Ich bin sehr zufrieden. Ich weiss, ich habe hier eine Technologie, die unsere Herausforderungen lösen kann und die uns ganz viel bringt – und zwar langfristig. MPN ist ein echter Game-Changer.»
Mit 5G Potenzial von Big Data entfesseln
Die Vernetzung der gesamten Anlagen mit 5G legt für Limeco auch den Grundstein für technologische Entwicklungen, bei denen grosse Datenmengen und künstliche Intelligenz zunehmend eine Rolle spielen werden.
Thomas Di Lorenzo nennt als Beispiel dafür die Anlagenüberwachung und die vorausschauende Instandhaltung. «Mit KI wird es uns möglich sein, Abweichungen bei den Anlagen zu erkennen. Man könnte zum Beispiel Ereignisse früher erkennen und damit Störsituationen verhindern», erklärt Di Lorenzo. Intelligente Systeme könnten kontinuierlich Daten sammeln und auswerten, um Trends zu analysieren, Wartungspläne zu optimieren und die Sicherheit weiter zu erhöhen.
Die Weichen sind gestellt: Mit der Kombination aus moderner Konnektivität und innovativen Technologien zeigt Limeco, dass nachhaltige Ziele und digitale Transformation Hand in Hand gehen können. So wird die Vision einer zukunftsfähigen Energieversorgung nicht nur greifbarer, sondern auch ein grosses Stück smarter.
Privates 5G: MPN Campus und MPN Slicing von Sunrise
Sunrise Business ist die führende Anbieterin von privaten 5G-Netzwerken in der Schweiz. Seit März 2023 setzt Sunrise Business erfolgreich Proof-of-Concept-Projekte für «MPN Campus»-Anwendungen um, seit Oktober 2023 auch für « MPN Slicing » . Die privaten Netzwerklösungen basieren auf dem etablierten Technologiestandard 5G, sind schweizweit verfügbar und lassen sich flexibel an die Anforderungen von Unternehmen anpassen. Während «MPN Campus»-Lösungen für den Einsatz in Produktionsbetrieben oder abgeschlossenen Arealen wie Spitäler optimiert wurden, eignen sich «MPN Slicing»-Lösungen für Anwendungen im öffentlichen Raum wie fahrerlosem Transport, Videoübertragungen von Grossereignissen oder zuverlässiger Kommunikation von Blaulichtorganisationen für die öffentliche Sicherheit.
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